Freiwilligenarbeit in der Physiotherapie in Tansania

Lisa aus Deutschland arbeitet als Physiotherapeutin für Kinder. Dieses Jahr hat sie sich dazu entschlossen, ihren Urlaub mit einem Freiwilligeneinsatz an einer Schule für geistige und körperlich behinderte Kinder in Tansania zu verbringen. Hier kannst du alles über ihre Erfahrungen nachlesen!

Ich bin Lisa, bin 26 Jahre alt und arbeite in Deutschland als Kinder-Physiotherapeutin.
Dieses Jahr hatte ich Lust auf einen besonderen Urlaub und wollte ein kleines Abenteuer erleben. Nach ein wenig Recherche bin ich auf World Unite! aufmerksam geworden, und so kam es, dass ich für 4 Wochen nach Moshi (Tansania) geflogen bin, um dort an einer Förderschule für geistige und körperlich behinderte Kinder zu arbeiten.

Meine Einsatzstelle:

In Moshi angekommen, wurde ich von den Koordinatoren zum BCC- Office (die Organisation, die in Moshi insgesamt 7 Förderschulen betreut) begleitet. Dort wurde entschieden, dass ich in die Schule Moshi-Pasua kommen sollte. Eine sehr gute Entscheidung, denn in der Schule wurde ich direkt von allen herzlich empfangen. 11 Kinder im Alter von 2 ½ und 11 Jahren mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen werden dort unter der Woche von 2 Lehrern betreut.

Ein typischer Tagesablauf:

Die ersten Tage verbrachte ich erstmal etwas beobachtend, um zu sehen, wie dort die Tagesstrukturen sind und wie ich mich am besten in den Alltag integrieren konnte. Die Kinder wurden meist zwischen 8-9 Uhr von ihren Eltern zur Schule gebracht. Nachdem alle Kinder im Klassenraum angekommen waren, wurde gemeinsam gebetet und gesungen. Im Anschluss sollte jedes Kind das aktuelle Datum aufsagen. Zwar gab es nur einen Jungen, der sprechen konnte, trotzdem wurde jedes Kind einzeln aufgerufen und es wurde mit ihm zusammen gesprochen. Am Ende wurde für das jeweilige Kind gesungen z.B. „Well done, well done, Jonathan! Keep it up!“. Ein tolles Ritual, was jedes Kind für einen kurzen Augenblick positiv in den Mittelpunkt stellt und es willkommen fühlen lässt. Im Anschluss wurden einigen Kindern Hefte ausgeteilt, wo sie versuchen sollten Zahlen zu schreiben.

Ich nutzte diese Zeit meist, um mit den körperlich schwer beeinträchtigen Kindern Physiotherapie zu machen. Neben dem Klassenraum gab es sogar einen kleinen Therapieraum, der mit Matten ausgestattet war. Aus Deutschland hatte ich zusätzlich einiges an Therapiematerial mitgebracht, z.B. auch einen Gymnastikball, weil ich nicht wusste, was mich dort erwarten würde. Gegen 10:30 Uhr gab es für die Kinder einen Frühstücksporridge (Uji) zu trinken. Ein paar Kinder mussten gefüttert werden und andere ermutigt werden, ihren Uji auszutrinken. Danach hatten die Kinder Zeit zum freien Spiel. In dieser Zeit konnte ich mit weiteren Kindern Physiotherapie machen oder mich einfach so mit den Kindern beschäftigen. Um 13 Uhr gab es Mittagessen, welches von der Schulköchin jeden Tag frisch zubereitet wurde. Auf den Tisch kamen typische tansanische Gerichte mit Reis oder Ugali. Da viele der Kinder aus recht einfachen Verhältnissen kommen, ist es für die Schule wichtig, dass die Kinder mindestens eine ausgewogene Mahlzeit am Tag bekommen, die sie mit ausreichend Nährstoffen versorgt, um so einer Mangelernährung entgegen zu wirken. Ähnlich wie beim Frühstück half ich einigen Kindern das Essen anzureichen, aber auch beim anschließenden Saubermachen der Gesichter und Tische.

Ein Mädchen hatte aufgrund ihrer starken Tetraparese erhebliche Schluckschwierigkeiten und somit Probleme mit der Nahrungsaufnahme. Kinder wie sie, würden in Deutschland künstlich ernährt werden. Da dies aber in Tansania nur schwer möglich ist, nehmen die Lehrer sich für jede Mahlzeit fast 1 Stunde Zeit, um ihr trotzdem Nahrung zuzuführen.

Nachdem die Kinder fertig gegessen hatten, bekamen die Angestellten Essen, während die Kinder sich eigenständig beschäftigen sollten. Das Essen war sehr lecker und am meisten freute ich mich, wenn es Reis mit Bohnen und Spinat gab. Die restliche Zeit des Tages sollten die Kinder wieder zum freien Spielen nutzen. In dieser Zeit konnte ich weitere Therapie machen, aber häufig versuchte ich mehrere Kinder gleichzeitig in Aktivitäten zu involvierten wie z.B. die Hängematte im Klassenraum zu nutzen, Spiel mit Luftballons, das Drehkarussel auf dem Schulhof bewegen und so weiter. Gegen 16 Uhr wurden die Kinder von ihren Eltern oder älteren Geschwistern abgeholt.

Die Art und Weise wie die Lehrer mit den Kindern umgingen, war sehr liebevoll, aber leider hat nur wenig individuelle Förderung stattgefunden. Dies liegt glaube ich zum Teil daran, dass es ihnen einfach an Wissen fehlt, aber auch an Personal mangelt. In der Klasse befinden sich 11 Kinder, von denen alle mehr Aufmerksamkeit bräuchten. Ein Lehrer war meistens mit Wickeln beschäftigt, da 6 von 11 Kindern inkontinent waren und 2 weitere Hilfe beim Toilettengang benötigten. Natürlich habe ich in Deutschland schon gewickelt, da aber Windeln für einige Familien zu teuer sind, wurden die Kinder in Stofftücher sowie eine Plastiktüte gepackt. Diese alte Art des Wickelns war für mich auch eine neue Erfahrung und ich musste mir erst einmal die richtige Technik zeigen lassen.

Ergotherapeutische Angebote:

Alle 1-2 Wochen kommt die Schulergotherapeutin für einige Stunden vorbei. Die Ordensschwester ist für über 100 Kinder des BCC in Moshi zuständig. Sie hat tolle Ideen für die Therapien der Kinder und entwirft für jedes Kind einen Therapieplan, der meiner Meinung nach auch gut auf die Kinder abgestimmt ist. Allerdings ist ihre Zeit so begrenzt, dass sie dies gar nicht richtig in die Tat umsetzen kann. Die Schwester hat auch ein Auge auf die Hilfsmittelversorgung der Kinder, z.B. angepasste Schuhe, Tische und auch Rollstühle.

Physiotherapeutische Aktivitäten:

Mit den Kindern, die eine körperliche Beeinträchtigung haben, arbeitete ich ganz klassisch physiotherapeutisch nach Bobath, um ihre motorischen Fähigkeiten und ihre Mobilität zu verbessern. Ich zeigte den Lehrern, wie auch sie die Kinder über die Gestaltung des Umfelds fördern können. Ob sie dies auch weiterhin umsetzen, weiß ich natürlich nicht. Mit dem Kind, was eine Tetraparese hat, arbeitete ich besonders intensiv. Dieses Mädchen ist 4 Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. Obwohl sie nicht sprechen kann, hat sie ein gutes Sprachverständnis und arbeitete sehr ausdauernd in der Therapie mit. Mein Ziel war es, ihre Rumpfstabilität und -aufrichung soweit zu verbessern, dass sie besser schlucken kann. Leider waren 4 Wochen zu kurz um große Fortschritte zu erzielen, aber ich hoffe, dass ihre Mutter die gezeigten Übungen Zuhause fortführt.

Individuelle Förderung:

Da nicht alle Kinder eine starke körperliche Beeinträchtigung haben, aber dennoch viel Förderung benötigten, schaute ich mir an, wie ich jedes Kind individuell am besten fördern konnte. Die Kinder waren es nicht gewöhnt, dass sich jemand mit ihnen 1:1 beschäftigt. Sie buhlten richtig um meine Aufmerksamkeit und wurden teilweise eifersüchtig, wenn ich mich mal mit einem anderen Kind beschäftigte, aber auch das mussten sie lernen. Man konnte richtig merken, wie sie die Zeit genossen, in der es nur um sie ging und sie Neues lernen konnten. Einigen Kindern gelang es zum Beispiel ein einfaches Steckpuzzel zu machen, von dem sie vorher nur die Teile durch die Gegend geworfen hatten. Zur Anbahnung von Sprache gab es verschiedene Bildkarten (z.B. Elefant, Haus, Händewaschen) – die Kinder brachten die Karten immer wieder zu mir und ich wiederholte die Wörter. Obwohl es mit dem Nachsprechen nicht so richtig klappen wollte, merkte man, dass die Kinder die Antworten genau wussten. Ein schöner Nebeneffekt war, dass ich einige neue Wörter auf Swahili dazu lernen konnte.

Manche Praktiken waren selbstverständlich ungewohnt, z.B. der Umgang mit hyperaktiven, zum Weglaufen neigenden Kinder, für die häufig das Verständnis zum Umgang und Ausdauer für die Betreuung fehlen. Nachdem ich eines dieser zappeligen Kinder Zeit gewidmet und mit ihm etwas zur Körperwahrnehmung gemacht hatte, war ich über die positive Veränderung sehr erstaunt. Auf einmal war es viel ruhiger, konnte sich mit einem Spiel beschäftigen und war auch deutlich besser im Kontakt.

Mein schönstes Therapieerlebnis:

Mein schönstes Therapieerlebnis war aber ein kleines Mädchen, welches mir ständig am Rockzipfel hing und genau beobachtete was ich so tat. Die Wochen zuvor hatte ich ihr beigebracht, wie man sich richtig die Hände wäscht. Vor dem Mittagessen stehen die Kinder in einer Schlange, um sich nacheinander die Hände zu waschen (die meisten benötigten etwas Hilfe). Hinter ihr stand ein Mädchen mit einer Halbseitenlähmung. Nachdem sie sich selber die Hände gewaschen hatte, blieb sie stehen und nahm beide Hände des Mädchens hinter ihr und half ihr beide Hände zu waschen. Es sind zwar nur kleine Fortschritte, aber trotzdem verschafften mir diese große Freude.

Schule in Karanga:

An zwei Tagen bin ich auch zu einer anderen Schule in Karanga gefahren. Karanga liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums und ohne eine BCC-Mitarbeiterin wäre ich wohl niemals dort angekommen. Diese Schule ist ganz anders als die in Pasua. Hier gibt es auch viele ältere Schüler, die einige kleinere Aufgaben übernehmen und sogar bei der Versorgung der jüngeren Schüler mithelfen. Therapie konnte ich hier mit zwei sehr schwer betroffenen Kindern machen. Zu meiner Überraschung war das Interesse der Lehrerinnen groß, sie sahen die positiven Effekte und wollte auch lernen, wie sie die Übungen mit den Kindern machen können.

Ein 8-jähriger Junge im Rollstuhl, welcher mich bei der Therapie mit anderen beobachtete, fragte ob ich nicht auch mit ihm üben könne. Er hatte so viel Freude daran, dass er von den Übungen gar nicht genug bekam und unbeirrt weitermachen wollte. Die Gehübungen haben ihn überglücklich gemacht.

BCC Special Olympics:

Ich hatte große Glück, dass während meines Aufenthaltes die „ BCC-Special-Olympics“ stattfanden. Einmal im Jahr kommen alle Kinder der 7 Förderschulen zusammen und verbringen einen gemeinsamen Tag zusammen. Jede Schule führt etwas auf, es gibt Essen, es wird getanzt, gespielt, gesungen und gelacht. Alle hatten viel Spaß.

Freitzeit:

Natürlich habe ich nicht den ganzen Tag gearbeitet, sondern auch viel Zeit mit den anderen Teilnehmern verbracht. Zu diesem Zeitpunkt waren noch ca. 10 andere Freiwillige dort. Nach und nach kamen nachmittags alle „nachhause“ und berichteten von ihren Erlebnissen des Tages. Es war ein schönes Gemeinschaftsgefühl mit so vielen Leuten gemeinsam zu kochen, zu essen und zu quatschen. Manchmal sind wir auch gemeinsam in ein Restaurant gegangen. Direkt an meinem ersten Abend haben wir eine Sunset-Tour gemacht, wo wir auf dem Dach eines umgebauten Partybusses den Sonnenuntergang genießen konnten. Auch ist ein Besuch im „Redstone“, einer Diskothek in Moshi, nur zu empfehlen. Hier zu tanzen und den anderen Tänzern zuzuschauen, macht super viel Spaß.

Ausflug zu den Hot Springs:
Ein anderer Freiwilliger hat als Überraschung für Kinder aus einem Waisenhaus, eine Tour zu den Hotsprings organisiert. Gemeinsam mit den 22 Kindern sind wir in einem vollbesetzten Daladala bei extrem lauter tansanischer Popmusik dorthin gefahren und haben einen entspannten Tag mit Schwimmen und Fußballspielen verbracht.

Safari, Kaffeetour, Wandern in den Usambara Bergen:
An den Wochenenden war Zeit für eigene Ausflüge. Wenn man schon einmal in Tansania ist, darf eine Safari auf keinen Fall fehlen. Die Tiere zu sehen war einfach unbeschreiblich schön. Neben der Safari war ich ebenso beim Gate zum Kilimanjaro, bei Wasserfällen, einer Kaffeeführung und einem tansanischen Höhlendorf. Gemeinsam mit 3 anderen Freiwilligen, habe ich ein ganzes Wochenende in den Usambara Bergen zum Wandern verbracht. Neben der schönen Landschaft und der tollen Aussicht, konnten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang sehen. Diese Tour zählt auf jeden Fall zu meinen Highlights. Es war ziemlich abenteuerlich, aber gleichzeitig hatten wir besonders viel Spaß.

Ich hatte eine wunderschöne Zeit in Moshi, ich habe viele tolle Leute kennengelernt und eine Menge erlebt.

Kind regards,

Lisa (from Germany)

Hier findest du alle Infos zu Lisas Einsatzstelle!

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