Juliane aus der Schweiz hat einen Freiwilligeneinsatz als Lehrerin im Dorf Muungoni in Sansibar gemacht und uns ausführlich davon berichtet! Warum es wichtig ist, während eines Auslandsaufenthaltes flexibel und anpassungsfähig zu sein, erzählt sie in unserem Blog.
Anreise und erste Woche
Meine große Reise nach Tansania und Sansibar dauerte insgesamt 5 Wochen: Während der ersten Woche reiste ich selbständig auf dem Festland Tansanias, danach lebte ich 4 Wochen lang als Volunteer auf Sansibar und unterrichtete im Dorf Muungoni im Süden von Sansibar.
Tansania ist wahrhaftig atemberaubend: Traumhafte Landschaften, eine bunte und vielseitige Kultur, saftig grün wuchernde Landschaften und leuchtend tiefroter Lehmboden. Eine 2-tägige Safari führte mich zum Ngorongoro-Krater und and den Lake Manyara. Die atemberaubende Tierwelt, die man in diesen Nationalparks zu Gesicht bekommt, erstreckt sich tatsächlich über sämtliche Tiere, die man sich im wilden Afrika nur vorstellen kann: Elefanten, Affen, Zebras, Giraffen, Nilpferde und Nashörner. Sogar einen Löwen bekam ich von weitem zu Gesicht.

Als besonders empfand ich das Volk der Maasai: Viele von ihnen haben eine noch sehr einfache und traditionelle Lebensweise. Andererseits integrieren sie auch moderne Einflüsse und man begegnet Maasai mit einem Smartphone in der Hand, oder Maasai die auf modernen Fahrrädern die Strasse entlang fahren, was ein ziemlich witziges Bild abgibt.

Insgesamt empfehle ich es euch wärmstens, Tansania zu bereisen! Tansania ist ein unglaublich schönes und ausgesprochen sympathisches Land, mit einer atemberaubenden Natur und Tierwelt, einer faszinierenden Kultur und offenen und freundlichen Menschen.
Übrigens gibt es an vielen Orten Tansanias Freiwillige und meinem Eindruck eignet sich das Land für einen Freiwilligeneinsatz ideal: Die Umgebung bietet einen unglaublichen Reichtum an Möglichkeiten für Reisen und Unternehmungen (Kilimanjaro, Safaris, Maasai, Katzensprung an die Grenzen von Kenya, Ruanda, Uganda).
Ankunft in Muungoni (Zanzibar)
Kleine Vorwarnung: Nun werde ich, liebe Leser, über Sansibar tatsächlich noch mehr schwärmen als über Tansania, und dabei muss ich absolut ernst genommen werden, denn es war wirklich so toll.
Meine Reise von Arusha nach Daressalam und von dort nach Zanzibar machte ich mit Bus und Fähre. In Arusha nahm ich den Bus nach Daressalam. Die Busfahrt dauert ca. 12-14 Stunden, je nach Stau in und um Dar-es-salam und kostet umgerechnet ca. 15 USD. Früh morgens um 06:00 fuhr ich in Arusha ab und kam abends gegen 19:00 in DAR an. In Daressalam übernachtete ich in einem Hotel nahe des Fährhafens, um am nächsten Morgen noch das letzte Stück in Angriff zu nehmen: Die Überfahrt mit der Fähre von Dar-es-Salaam nach Zanzibar Town.
Die lange Reise hat sich für mich persönlich absolut gelohnt, denn die Busfahrt ist ein echtes Erlebnis! Die Landschaft, die man zu Gesicht kriegt, war eine große Bereicherung und den Aufwand absolut wert. Allen, die jedoch eine komfortable (aber dafür weniger erlebnisreiche) Reise bevorzugen, empfehle ich, von Arusha nach Zanzibar zu fliegen.
Nachdem mich Abdi (World Unite! – Koordinator) am Hafen in Stone Town abgeholt hat, wurde ich nach Muungoni gebracht. Empfangen und eingeführt wurde ich freundlich und sehr umfänglich von Mohammed (Projektkoordinator in Muungoni).
Auf Anhieb gefiel mir das Dorf im Tropenwald und das warm-feuchte Dschungelklima und ich fühle mich hier sofort wohl.
Meine Unterkunft
Meine Unterkunft ist ein recht hübsches, und ziemlich geräumiges Betonhäuschen mit Strohdach, bestehend aus 3 Zimmer: Einem Schlafzimmer, einem funktionalen Badezimmer und einem Wohnzimmer mit Tischen und Stühlen. Natürlich ist der Standard eher einfach, aber grundsätzlich gibt hier alles, was man braucht. Verglichen mit den meisten Häusern der Dorfbewohnern ist dieses Häuschen eine ziemlich komfortable Unterkunft.
Das Badezimmer besitzt eine westliche Toilette, ein Waschbecken, eine Dusche. Das Haus hat sogar fließend Wasser, wobei es durchaus immer wieder vorkommt, dass einige Tage kein Wasser fließt (in dem Falle wird einem aber von Mohammed Wasser in Eimern gebracht).
Da der Wasserdruck meist zu schwach ist, schöpfe ich zum Duschen Wasser aus dem Eimer, was mir erstaunlich leicht fällt. Ich finde diese Art von Duschen angenehm, effizient und erfrischend.

Meine ersten Tage in Muungoni – Eid-al-Fitr & Ramadan
Die erste Woche in Muungoni kann ich leider noch nicht unterrichten, da die ganze Schulwoche ausfällt aufgrund Eid-al-Fitr (Fest zum Fastenbrechen am Ende des Ramadans). Dafür aber habe ich die tolle Gelegenheit, beim Eid-Fest dabei sein zu dürfen!
Am ersten Tag des 4-tägigen Fests wird am Nachmittag auf dem Schulgelände eine Feier veranstaltet: Sogar die dorfeigene Akrobaten-Gruppe hat dort einen Auftritt!
Bezaubernd finde ich besonders die Bekleidung der Menschen an Eid: Sämtliche Menschen tragen atemberaubend schöne Kleidung, insbesondere die Kinder: Prächtige Farben, weiße Schleier, und: alle Kinder (auch neugeborene Babys) sind stark geschminkt (was im ersten Moment etwas beirrend aussieht, aber doch irgendwie ganz hübsch).

Das Eid-Fest dauert insgesamt 4 Tage. Die darauffolgenden Tage findet das Fest jedoch ausschließlich am Abend statt; etwas außerhalb des Dorfes auf dem Feld wurden Festzelte aufgestellt, in welche sich nun fast sämtliche Dorfbewohner – sprich sehr viele Menschen – fröhlich übermütig hinein quetschen. Die Haupt-Acts des Festes bestehen aus musikalischen Auftritten und Theateraufführungen bzw. landestypischer Komödie.
Die traditionellen Komödien, die an solchen Festen aufgeführt werden, hatten meist absurde Themen zum Gegenstand wie Tod, Betrug, oder Vergewaltigung, die bizarrerweise auf humorvolle Art dargestellt werden, zum großen Amüsement des Publikums. Ich persönlich interpretiere es einerseits als eine Art schwarzen Humor, der möglicherweise andererseits zum Nachdenken anregen soll, bzw. wichtige Themen sensibilisieren soll. Auf jeden Fall ein extrem interessantes, vielschichtiges Erlebnis.
Strandtage & Schnorcheltrip
Auch verbringe ich während meiner ersten Woche 2 Strand-Urlaubstage in Jambiani, inklusive Schnorcheltrip. Auch mein lieber Freund Ali aus dem Dorf kommt mit aufs Boot – obschon er nicht schwimmen kann, hat er ebenfalls Spaß am Ausflug. Ein wunderschöner Tag, den ich nicht vergessen werde!
Ich denke, in einer Situation als alleinige Person an einem neuen Ort ist es ein enorm starkes Bedürfnis, eine Vertrauensperson zu haben. Ich bin sehr glücklich, sagen zu können, ich habe von Anfang an diese Vertrauensperson gefunden. Ich verdanke vor allem Ali, dass ich aus jeder Krise rasch herausgefunden habe, dass ich mich immer wohl und unterstützt gefühlt habe, und dass ich meine Vorhaben im Alltag immer erfolgreich umsetzen konnte.
Die Kinder aus dem Dorf
Absolut herzerwärmend sind die Kinder im Dorf. Ich kann nicht in Worte fassen, welches Gefühl es tagtäglich bei mir auslöst, wenn ich auf dem Schulgelände ankomme und die 100 Kinder in einer riesigen Schar auf mich zustürzen und begeistert “Hello, hello, hello, hello, how are you, how are you“ rufen.
Die Mädchen auf Sansibar tragen bereits vom Kleinkindalter an Schleier. Dies mag befremdlich klingen (auch mir ging es in der Schweiz noch so), jedoch sehen die Schleier in der Tat absolut hübsch aus und außerdem sind die Stoffe dünn und luftig, man muss sich also keine Sorgen machen, die Kinder hätten es zu heiß darunter.

Schulausflug nach Stone Town
Am Mittwoch in meiner ersten Woche machen wir einen Schulausflug mit den rund 100 Kindern der Nursery School (Kindergarten) nach Stone Town. Die Transportumstände sind für mich etwas schreckend, da der Bus aus meiner Sicht kaum Platz für die Hälfte der Kinder bietet. Jedoch bin ich absolut erstaunt und berührt darüber, wie unkompliziert, anpassungsfähig und tolerant die Kinder hier sind. Pro Sitz 2-3 Kinder, ist die Kinderschar im Bus zusammengepfercht, «Kreuz-gebiegelt», und doch weint kein einziges, zu keinem Zeitpunkt beklagt sich je ein Kind, auch zusammengepfercht schlafen die Kinder, selbst im Stehen. Alles kein Problem für die Kids.
Es sind Welten zu den Bedürfnissen der Kinder aus meinem Land, und dies ist eine meiner Schlüsselerkenntnisse: Bedürfnisse sind alles andere als natürlich, jedes Bedürfnis ist erzogen und angewöhnt, selbst das Bedürfnis nach Essen und Sicherheit.
Möbel für den Kindergarten
Ein ganz besonderer Moment für uns alle – und wohl ein bedeutender Moment in der Geschichte des Kindergartens Muungoni – ist, als die von Heike (World Unite! Freiwillige) gesponserten Möbel nun endlich in die Klassenzimmer eingerichtet werden.
Entzückend: Die Kinder setzen sich selbstverständlich an die Tische und benehmen sich, als ob es für sie das Normalste der Welt wäre.
Das Unterrichten
Da meine Hauptaufgabe hier in Muungoni das Unterrichten ist, möchte ich diesem Thema einige Worte widmen.
Obwohl mir am Sonntagabend vor meinem ersten Schultag von Mohammed versichert wird, ich würde morgen noch nicht unterrichten, sondern nur zuschauen und helfen, sieht die Wahrheit am Montag in Tatsache so aus: Sämtliche 100 Kinder, die eigentlich in 3 Klassen untergebracht werden, werden in eine Klasse gesteckt, schön geordnet, dann sagt die Lehrerin zu mir: „Karibu! You teach, welcome.“ Auf meine Erklärung hin, das wäre so nicht abgemacht gewesen und ich sei überhaupt nicht vorbereitet, geht die Lehrerin nicht ein und gibt mir zu verstehen, ich müsse nun unterrichten.
Und so improvisiere ich während 2 Stunden den Unterricht für 100 auf dem Boden sitzende 4-6 jährige Kinderlein. Und: Alle lachen und haben vor allem Spaß!
So sieht der Alltag hier aus: „… und es kommt immer alles anders“: Geplant wird hier (aus „westlicher“ Sicht) kaum, und wenn, dann ändert sich der Plan im Laufe des Tages häufig vollumfänglich, und insofern stellt sich nach einigen Tagen heraus, dass sich nicht so weit im Voraus zu planen manchmal mehr lohnt!
Doch die Menschen sind glücklich, und auch ich bin glücklich, und ich muss zugeben, es hat sehr wohl seine schöne Seite, spontan sein zu dürfen und sich keine Sorge drum machen zu müssen, wenn etwas mal nicht klappt oder völlig anders raus kommt.
Unterrichtsmethode
Die Kinder hier der Nursery School lernen fast ausschließlich über wortwörtliches Nachsprechen im Chor. Zur Zeit bin ich dabei, diese Struktur etwas aufzuweichen, indem ich ihnen beibringe, die Frage „What is that?“ stelle, indem ich auf etwas zeige, wofür sie das Wort auf Englisch kennen (z.B. Farben) und die Kinder die Antwort sagen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass ich hier völlig anderen Unterricht mache als jener, den ich in der Schweiz betreibe. Ich genieße jedoch meine Zeit mit der freudigen, dankbaren Kinderschar und habe sehr viel Spaß am Unterrichten.
Arztbesuch im Dorf
Ich habe aus Eigeninitiative einige kleine Projekte nebst dem Unterrichten gestartet, beispielsweise das Sortieren und Verteilen von gespendetem Material und außerdem habe ich zur Zeit ein Auge auf kranke Kinder.
Nachdem mir auf dem Schultrip ein Junge mit Besorgnis erregendem Hautausschlag aufgefallen ist, habe ich beschlossen, einen Arztbesuch im Dorf zu organisieren.
Die Mehrheit der Menschen in Muungoni lebt weitgehend ohne viel Geld (Selbstversorgung durch Bauern), und dadurch können sich viele Menschen einen Besuch beim Arzt nur schwer leisten, bzw. tun das wohl nur in dringendsten Fällen. So fallen mir immer wieder Kinder auf, die eine Krankheit oder ein Leiden haben – insbesondere ansteckende Hautkrankheiten sind hier unter den Kindern geläufig.
Gemeinsam mit Ali sind wir nach Stone Town ins Krankenhaus gefahren und haben uns an einen Hautarzt gewendet. Ich habe ihn gebeten, ob er einmal an einem Tag in unser Dorf kommen kann, und sich praktisch «unbegrenzt» alle Kinder der Nursery School, die ein Leiden haben, anschauen und behandeln kann. Der freundliche Arzt konnte mir bereits 2 Tage später einen Besuch einrichten und verlangte dafür einen Pauschalpreis von 200 USD, was ich absolut in Ordnung finde, in Anbetracht davon, dass er 70 Kinder behandelt hat.
Swahili
Ich bin ständig dabei, meine dürftigen Swahili-Kenntnisse zu verbessern. Dazu kann ich sagen, dass es hier in Muungoni fast ein Muss ist, einige Swahili-Vokabeln zu besitzen; je mehr, desto besser, denn die meisten Menschen in Muungoni sprechen kein Englisch. Auch haben die Menschen immer eine Riesenfreude, wenn man einige Swahili-Sätze sprechen kann.
Freizeit und Freunde
Die Menschen in Muungoni sind absolut herzlich, interessiert, freundlich, neugierig, kommunikativ, und wahnsinnig gastfreundlich. Wenn ich durchs Dorf laufe, höre ich alle paar Sekunden von den Kindern meinen Namen rufen, es ist schon fast eine Plage 🙂 und unzählige Male werde ich auf der Straße gegrüßt.
Besonders berührend finde ich, wie viel Vertrauen die Menschen hier in mich haben. Manchmal habe ich den Eindruck, sie glauben, ich würde alles wissen und alles richtig machen, sie legen einen extrem großen Wert auf meine Meinung. Ebenso versuche ich stets, auch ihren Standpunkt zu erfragen und wahrzunehmen.
Man muss dabei unbedingt bedenken, was dieses bedingungslose Vertrauen in uns für eine Bedeutung bekommt mit dem Hintergrund des postkolonialen Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen. Dieses Thema hat im Alltag maßgebliche Auswirkungen, darauf werde ich im nächsten Beitrag zu sprechen kommen.
Hier unten auf dem Foto seht ihr meinen Freund Ali, seine süße Tochter, und mich:
