Als Deutsche während der Corona-Pandemie in Myanmar

World Unite! Teilnehmerin Carina aus Deutschland entschied sich bewusst dazu,
auch während der Corona-Pandemie in Myanmar zu bleiben.

World Unite!-Teilnehmerin Carina aus Deutschland entschied sich bewusst dafür, auch während der Corona-Pandemie in Myanmar zu bleiben und ihren Freiwilligeneinsatz fortzuführen. In unserem Blog erzählt sie von ihrem Lebensalltag in Myanmar während der Pandemie und warum sie sich dazu entschlossen hat, nicht nach Hause zu reisen.

Ich habe Myanmar im April 2019 als offenes und freundliches Land gegenüber Touristen kennengelernt, und war nach kurzer Zeit von der burmesischen Kultur fasziniert. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich ein Jahr später als Freiwillige zurückkommen würde. Allerdings hätte ich auch nie mit der weltweiten Corona-Pandemie gerechnet.

Kurz vorab: Ich habe Ende 2019 meinen Job gekündigt, mein Auto verkauft und meine Wohnung untervermietet, da ich diesen harten Cut benötigt habe, um frei von Altlasten mein neues Abenteuer zu beginnen. Dies war unter anderem auch einer der Gründe, warum ich dafür entschieden habe, während der Corona-Krise in Myanmar zu bleiben.

Carina führt in Yangon, Myanmar, ein Freiwilligeneinsatz bei der Organisation “Thant Myanmar” im Bereich Umweltschutz und Plastikrecycling durch. Hier kannst du mehr über ihre Einsatzstelle nachlesen.

Ich kam also am 4. März 2020 in Yangon an. Da war das Land sozusagen noch coronafrei und ich fing langsam an, mich in meiner Arbeit bei Thant Myanmar einzufinden.

Einen Monat später saß ich dann vor gefühlt tausend Kopien meines Passes und meines Visums da! Wegen der Corona Pandemie hatte sich nämlich einiges geändert und ich musste mich als Ausländerin so schnell wie möglich bei der örtlichen Immigrationsbehörde registrieren lassen. Man muss sich vorstellen, dass viele Dinge hier innerhalb kürzester Zeit passiert sind, und auch Entscheidungen, Gespräche und Formalitäten sehr sehr schnell getroffen und erledigt werden mussten.

Der Beginn von Corona und die Informationsflut

Am Anfang hörte ich nur Gerüchte, dass das Land Ende März seine Grenzen schließen würde. Wenn man neu in der Stadt ist und die Landessprache nicht beherrscht, kann es manchmal ziemlich schwierig sein, an Informationen zu gelangen. Alles was ich zu diesem Zeitpunkt wusste, war, dass es bislang noch keinen bestätigten Corona-Infizierten in Myanmar gab und dass es in den darauffolgenden Tagen eine offizielle Konferenz der Regierung zum Thema Coronavirus geben würde.

Als erste in meinem Umfeld verließen eine Kollegin und ihr Freund ziemlich überstürzt das Land. Sie hatten Kontakt zur dänischen Botschaft, die all ihren Landsleute empfahl, das Land sofort zu verlassen. Ich registrierte mich daraufhin bei der deutschen Botschaft, einfach um auf dem Laufenden zu sein und damit – sollte es zu irgendwelchen Maßnahmen kommen – die Botschaft auch wusste, dass ich überhaupt hier war.

Die folgenden Dinge passierten dann alle innerhalb einer Woche: Die Deutsche Botschaft verschickte fast täglich Emails mit der Bitte an deutsche Reisende in Myanmar, ihren Aufenthalt frühzeitig zu beenden. In meinem Apartment, welches ich eben erst bezogen hatte, war ich nun allein, da meine Mitbewohner ebenfalls bereits zurück nach Hause gereist waren.

Besonders verunsicherte mich, dass sich der Rat aus meinem Umfeld beinahe täglich änderte: Vom gut gemeinten Rat, man solle schnellstmöglich das Land verlassen, bis hin zur Info, man könne eigentlich auch bleiben, war alles dabei. Man kann sich sicher vorstellen, dass dieses Hin und Her und die Informationsflut sehr verunsichernd sein können.

Die Tempelstadt Bagan ist normalerweise ein beliebtes Touristenziel in Myanmar. Derzeit befinden sich jedoch kaum Reisende im Land.

Eine Entscheidung steht an: Gehen oder bleiben?

Auch zu wissen, dass es nur noch einzelne Flüge zurück nach Hause gibt und man nicht weiß, wann man wieder zurückkann, war ein großer Unsicherheitsfaktor für mich.

Eins stand auf jeden Fall fest: Ich musste für mich selbst rausfinden, ob ich in Myanmar bleibe und meinen Freiwilligeneinsatz fortsetze oder meinen Aufenthalt abbreche, und das am besten, bevor die Grenzen schließen und die Deutsche Botschaft die Rückholflüge durchführt.

Ich habe daraufhin sehr viel mit meiner Familie und meinen Freunden gesprochen, mich über die aktuelle Situation in Deutschland informiert, meine Möglichkeiten überlegt und mit vielen Leuten aus meinem Umfeld in Yangon gesprochen. Schlussendlich habe ich für mich entschieden, in Myanmar zu bleiben, egal was passiert.

Vielleicht mag sich der eine oder andere jetzt denken: Mutig! Das sehe ich aber nicht so. Ich fühle mich schlicht und einfach sicher in meinem Apartment im 8. Stock, ich kann zu Fuß zur Arbeit gehen, mit reichlich Abstand zu anderen Menschen und wenn ich mich doch mal unwohl dabei fühle, kann ich zu Hause bleiben und im Home Office arbeiten.

In Deutschland hätte ich jetzt keine Arbeitsstelle mehr und müsste mit 28 Jahren erstmal wieder bei meinen Eltern einziehen – und das während der Quarantäne-Zeit, in der man dazu gezwungen ist daheim zu bleiben und direkten Kontakt zu haushaltsfremden Personen zu vermeiden.

Der Rückhalt von zu Hause als Motivator, in Myanmar zu bleiben

Was meine Entscheidung schließlich gefestigt hat, waren der Rückhalt meiner Familie und Freunde. Egal wie ich mich entschieden hätte, sie stünden immer an meiner Seite – für mich ein sehr wichtiger Faktor. In meiner bisherigen Zeit in Myanmar habe ich oft gehört, dass der Grund, warum viele Auswanderer schließlich wieder zurück in ihr Heimatland kehren, der Druck von Freunden, Kollegen, Familien, Firmen, Organisationen, Botschaften, Behörden, etc. ist.

Wenn meine Einsatzstellen mich auffordert hätte, nach Hause zu gehen, was hätte mich dann noch in Myanmar gehalten? Wenn meine Familie täglich in Angst um mich lebt, wäre ich noch geblieben? Wenn der wichtigste Freundeskreis nach und nach auch ausreist und du auf einmal gefühlt allein dastehst, soll man dann noch bleiben? Ich denke, dass es vielen Auswanderern und Freiwilligen so geht, auch wenn sie ursprünglich vorhatten, in Myanmar zu bleiben. Ich weiß aus Erzählungen, dass einige von ihnen ihre Entscheidung, wegen Corona abgereist zu sein, im Nachhinein bereut haben.

Manchmal frage ich mich auch, ob es die richtige Entscheidung war, in Myanmar zu bleiben, zum Beispiel, wenn Einheimische plötzlich Angst vor mir haben, da in den Medien natürlich am Anfang hauptsächlich von infizierten Ausländern oder Heimkehrern gesprochen wurde. Oder wenn man auf der Straße angepöbelt wird, weil man keine Gesichtsmaske trägt (sogar, als noch keine Maskenpflicht bestand).

Straßenverkehr in Yangon – vor Corona: Im Stadtzentrum ist es üblicherweise sehr betriebsam.

Was mir hilft, die Situation zu meistern – meine Kontakte

An dieser Stelle muss ich noch erwähnen, dass ich alles bis jetzt so gut geschafft habe, weil ich natürlich unglaublich viel Hilfe von einigen ganz lieben Menschen hier habe: Meine Haushälterin Aunty, die sich immer um mich kümmert und stets besorgt ist; mein Handwerker und Nachbar, der mich bei jedem Behördengang begleitet und teilweise stundenlang unterstützt hat, um dann wieder am nächsten Tag meine Klimaanlage zu reparieren; und meine Kollegen von Thant Myanmar, die mich über jede neue Regelung der Regierung informieren, mir Tipps geben bei Visaverlängerungen und Dokumentenbeantragungen und die mir immer helfen zu übersetzten, sollte mich die burmesische Sprache mal wieder in die Knie zwingen. Ja, großartige Menschen gibt es zum Glück immer wieder, überall auf der Welt.

Covid-19 in Myanmar vs. Covid-19 in Deutschland

In den letzten Wochen wurde mir besonders bewusst, dass es nicht viel Unterschied zwischen einer Covid-19-Infektion in Deutschland und einer Infektion in Myanmar gibt. Klar sind in Myanmar die medizinische Versorgung und das Gesundheitssystem nicht auf demselben Stand wie in Deutschland und natürlich hoffe ich, dass ich nicht am Coronavirus erkranke und auch nicht in ein Krankenhaus muss.

Das Virus holt man sich jedoch in Myanmar auf dieselbe Art wie in Deutschland, durch den Kontakt mit infizierten Personen. Die wichtigsten Regeln lauten hier daher genauso wie überall auf der Welt: Menschenmassen vermeiden, wenn möglich zu Hause bleiben, Hände waschen und außerhalb der Wohnung Masken tragen, um einer Ansteckung anderer vorzubeugen.

So bin ich nun seit Thingyan (burmesisches Neujahr) in meiner Wohnung im Home Office und gehe nur an wenigen Tagen zum Einkaufen raus. Manchmal kann einen die Quarantäne aber natürlich schon verrückt machen. Vor allem dann, wenn täglich ein Pick-Up durch die Straßen fährt und durchs Megafon neue Ausgangssperren und Regelungen der Regierung auf Burmesisch bekannt gibt und ich natürlich nichts verstehe. Oder wenn ein Reinigungstrupp durch die Straßen zieht und eine Mischung aus Bleich- und Desinfektionsmittel versprüht, von der man am Besten ganz viel Abstand hält.

Aber auch an diesen Tagen erinnere ich mich daran, dass ich nicht allein bin. Dass Freunde, Familie und Kollegen sich in einer ähnlichen Situation befinden und auch in Quarantäne warten müssen, bis sich die Lage wieder bessert. Dass, wenn ich auf meinen Balkon sitze, ich nicht die Einzige bin, die im selben Moment da draußen sitzt und auf die leere Straße schaut. Und dass ich mich hier als Ausländerin trotzdem noch frei draußen bewegen kann und meine Freunde und Familie per Video-Call anrufen kann, wann immer ich möchte.

Corona müssen wir alle durchstehen, ganz egal, ob wir uns nun in Deutschland, Myanmar oder anderswo befinden. Darum bleibe ich weiterhin hier in Yangon und setze mein Abenteuer fort!

Viele liebe Grüße,

Carina aus Deutschland, in Yangon

Carinas Freiwilligeneinsatzstelle – Thant Myanmar:

Carina führt ihren Freiwilligeneinsatz bei der Organisation Thant Myanmar im Bereich Umweltschutz und Plastikmüllvermeidung durch. Ihre Aufgaben umfassen die Betreuung der Social Media-Kanäle wie Facebook und YouTube. Dazu gehören das Erstellen von wöchentlichen Posts, die Analyse der Social Media-Reichweite sowie der Website. Darüber hinaus wirkt Carina im Namen von Thant Myanmar bei World Bank Surveys mit, bei der die Verschmutzung in verschiedenen Stadtteilen Yangons aufgezeichnet und ausgewertet wird und hilft außerdem bei der Bürostrukturierung.

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